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Auswandern

4 Jahre Kanada – Persönlicher Rückblick einer Auswanderin

Fast 4 Jahren sind wir schon in Kanada.

Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht – war es doch erst gestern, dass wir unsere Jobs gekündigt, alles verkauft und Berlin hinter uns gelassen haben.

Was einfach nur ein Jahr Abenteuer im Ausland werden sollte, wurde zu 3 Jobwechsel, 3 Umzüge, neue Freunde, Verlust alter Freunde, Verlust von Familienmitgliedern aus der Ferne und Ankunft in der neuen Wahlheimat Toronto.

Richtig ankommen dauert.

Heute würde ich sagen, dass wir es endlich geschafft haben und uns wirklich wohl fühlen.

Dennoch, das Ganze ist nicht über Nacht passiert – in den letzten 4 Jahren ging so einiges schief. Ein auf und ab an Gefühlen und Erlebnissen.

In diesem Artikel erzähle dir von unseren persönlichen Erlebnissen.

1. Jahr, 2015

Oh wie aufregend das erste Jahr war.

So viele neue Eindrücke und Erlebnisse. Wir sind am Anfang unserer Ankunft erstmal gereist und haben so Montreal und Ottawa aus erster Hand erleben dürfen.

In den ersten drei Monaten ging es nicht um die Job- und Wohnungssuche, sondern, um das Neue genießen. Die neuen Eindrücke einzufangen und ein Gefühl für das Land und die Menschen zu bekommen.

Toronto hat uns in dem Prozess am besten gefallen.

Toronto – vibrant, pulsierend und freundlich

Toronto Skyline

Toronto ist für uns die perfekte Stadt, gerade im Hinblick auf eine Karriere in der Werbung und Marketing.

Die Stadt hat eine ganz eigene Dynamik. Sie ist farbenfroh, energisch, in den verschiedensten Formen stehen alte Gebäude nah beieinander, manchmal auch krumm und schief und manchmal in einem ganz neuen Glanz – so verschieden wie die Gebäude, sind auch die Menschen. Ein Mosaik aus diversen Religionen und Herkünften, die nebeneinanderher leben – ganz friedlich.

Toronto hat uns überzeugt und mit dem Entschluss sich hier niederzulassen, fing der Stress an.

Arbeits- und Wohnungssuche

Wir haben die Wohnungssuche priorisiert.

Das Ironische ist jedoch, dass jeder potenzielle Vermieter eine Arbeitsbestätigung sehen will und wenn du so wie wir keine Arbeit hast, musst du zumindest aufzeigen können, dass du für die nächsten 3 Monate die Miete zahlen kannst. Das war zum Glück bei uns der Fall. Und auch wenn wir nicht unbedingt am besten Abschnitten im Vergleich zu anderen Bewerbern mit Job, hat uns unser erster Vermieter akzeptiert.

Keine Ahnung wie wir das geschafft haben, aber ich glaube, als Pärchen aufzutreten, hat uns definitiv geholfen.

Keine Möbel, aber ganz viel Ausdauer

Ich weiß noch wie wir eine Ewigkeit lang nur ein Bett besaßen.

Romantisch?

Wohl eher unpraktisch.

Ich erinnere mich noch ganz genau an das Glücksgefühl, als wir unseren ersten Esstisch plus Stühle gekauft haben, endlich an einem Tisch essen, sitzen, arbeiten, rumhängen – es sind die kleinen Dinge im Leben.  Von hier an konnte es nur Aufwärts gehen.

Nicht lange später, habe ich dann einen Job gefunden. Mein Freund hat da etwas länger gebraucht. Ungefähr 3 Monate länger. Das hat natürlich die Beziehung belastet – gefühlstechnisch und finanziell.

Viele Streitereien sind aufgekommen und viele Türen zugeknallt. Ich glaube, wenn wir beide uns nicht so gebraucht hätten, weiß ich nicht, was aus uns geworden wäre. Wir kannten niemanden und hatten ja nur uns.

Das schweißt zusammen. Man verzeiht und versöhnt sich auch schneller – Gott sei Dank. Heute sind wir schon seit über 5 Jahren zusammen und gehen wortwörtlich durch dick und dünn.

Anschluss finden ist hart

Das erste Jahr war auch auf einer ganz anderen Ebene ein einsames Jahr. Na klar, man hat sich und den Partner, aber es ist dennoch nicht zu vergleichen mit einem netten Weinabend mit guten Freundinnen. Freunde und Anschluss finden war schwer.

Ich erinnere mich noch, wie ich durch Couchsurfing versucht habe mich mit einem Pärchen auf ein Bier zu treffen und es einfach total der Reinfall war. Sie waren eigenartig, langweilig und die Gespräche sehr einseitig. Rock bottom war erreicht. Ich habe alles und jeden zu Hause vermisst.

2. Jahr, 2016

Im Zweiten Jahr war alles ein wenig einfacher.

Ich habe meinen Job in der Online Agentur aufgegeben und war wieder in der Welt der Art Direktoren und Kreativen untergekommen. Durch meinen neuen Job habe ich unheimlich viele junge Menschen in meinem Alter kennengelernt, vor allem habe ich viele gleichgesinnte Auswanderer finden können – das hat gut getan. Toronto gehört nämlich zu den top 10 lebenswerten Städten weltweit und dementsprechend kommen Menschen aus aller Welt hier her.

Reisen

Algonquin Park - Indian Summer - Ontario

Wir haben uns in diesem Jahr auch Zeit genommen, um Ontario zu erkunden und waren an den Scarborough Bluffs, mehrmals im Algonquin Provincial Park, im Bruce Peninsula Nationalpark und haben auch im Killarney Park gecampt.

Zudem sind wir in diesem Jahr von dem anonymen Condo-Leben in City Place weggezogen und nach Roncesvalles. Das von polnischen Wurzeln  beeinflusste Viertel ist ein kleines Schmuckstück im Westen Toronto’s. Besonders beeindruckend ist die High Park Road, eine Straße, die von mega Villen umringt ist. Früher ein reichenviertel, heute für jeden zugänglich.

3. Jahr, 2017

Es hat nicht lange gedauert bis wir wieder einmal umgezogen sind. Die Wohnung in Roncesvalles, obwohl in einer guten Gegend, war eine Katastrophe. Am Tag des Einzugs, kam eine etwas wirr erscheinende Frau aus dem Haus, hektisch rufend, dass das Haus Bettwanzen hat.

Autsch.

Nicht unbedingt eine Neuigkeit, die du am Tag deines Einzugs hören willst.

In Deutschland sind Bettwanzen kein Thema. In Kanada und besonders in Toronto hingegen hörst du die wildesten Horrorgeschichten zum Thema Bettwanze – Ich selbst kann jetzt so eine Geschichte zitieren.

Kurze Zeit später kam dann raus, dass jemand in unserer Wohnung gestorben ist – auf natürliche Art und Weise möchte ich dazu sagen. Aber dennoch, ein schönes Gefühl war es nicht. Mit Weihrauch lief ich durch die Wohnung, um den negativen Energien entgegenzuwirken.

Es kann doch nicht schlimmer werden?

Japp – kann es.

Die Krönung war dann überraschenderweise nicht unser Alkoholiker-Nachbar, der seltsamerweise zwei Namen trug und sich jedes Mal anders vorgestellt hat. Oder der sich fast jede Nacht mit seiner Freundin gestritten und Möbel umgeschmissen hat.

Nein, die Krönung war, als ich Abends den Müll rausbringen wollte und sich unsere skurrilen Nachbarn aus dem Erdgeschoss wegen eines Päckchen Kokain lauthals gestritten haben. Als ich wieder in unsere Wohnung kam, habe ich zu meinem Freund gesagt, dass ich befürchte, dass wir hier noch erschossen werden – er hat das bejaht und meinte, dass er vor einigen Tagen genau den selben Gedanken hatte.

Die Situation war so bizarr, dass es irgendwie fast schon komisch war und so füllte sich der Raum ganz schnell mit unserem nervösem Gelächter.

Nicht lange danach, sind wir wieder einmal umgezogen. Diesmal hat es uns wieder in ein Condo in der sehr populären Queen West Gegend verschlagen.

Und guess what?

Wir lieben es.

Reisen

In diesem Jahr haben wir uns ein Wintermärchen Städtetrip nach Quebec City gegönnt, waren glamping in Prince Edward County und wir haben dann auch unseren Roadtrip durch die Rockies und den Banff und Jasper Nationalpark gemacht.

Wahre Bucket List Erlebnisse – einmalig und unbeschreiblich.

4. Jahr, 2018

Nach zwei Jahren in meinem Job in der Werbeagentur, habe ich diesen dann auch an den Nagel gehängt. Es war einfach nichts mehr für mich 60 Stundenwochen zu kloppen und das ohne ein Dankeschön.

In diesem Jahr haben wir uns auch so richtig in unserer Wohnung eingelebt.

Reisen

Niagara-on-the-lake

Wir haben viel unternommen. Uns hat es am Anfang des Jahres nach Niagara On-The-Lake verschlagen.

Elora City, Ontario

Im Sommer sind wir dann nach Elora gefahren und im Spätsommer hat es uns nach Neufundland gezogen – bis jetzt einer der schönsten Provinzen Kanadas.

Western Brook Pond, Neufundland, Kanada

Fazit

Von Anfang an wollte ich wieder zurück nach Deutschland. Jedes Jahr habe ich meinem Freund gesagt, nächstes Jahr gehen wir aber.

Aber…

Je länger wir nun hier sind, um so schwieriger ist es für mich, mich mit der Idee anzufreunden zurückzugehen. Ich dachte, dass ich immer zurück will, aber dieses Jahr Weihnachten hat mir irgendwie gezeigt, dass ich nicht unbedingt zurück muss.

Irgendwie ist mir Toronto und Kanada wirklich ans Herz gewachsen.

Mal schauen, was die Zukunft noch so bringen wird und wo es uns letztendlich hin verschlägt. Die Ungewissheit ist oft anstrengend, aber irgendwie macht sie das Leben gerade auch schön und aufregend, oder?

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