Das Reisen und die Abenteuerlust wird immer als etwas extrem positives reklamiert. Eine Lust, der man nachgehen sollte oder es auf immer bereuen wird, wenn man es nicht tut. Alleine loszuziehen und die Welt zu erobern, zu erkunden, zu inspirieren und inspiriert zu werden. Atemberaubende Sonnenuntergänge, unglaubliche Weiten, Berge und wunderschöne Unterwasserwelten, außergewöhnliche Küchen und mehr. Verpassen was da draußen auf uns wartet – wer will das schon?
Ich persönlich sage deshalb ganz klar und ohne zu zögern „Ja zur Abenteuerlust und ja zum Solo Reisen. Geb’ ihr nach und genieße den Moment der Momente. Denn was während der Reise passiert, wird dich unheimlich entwickeln!
Wie verändere ich mich durch’s Solo Reisen?
Zunächst einmal macht alleine reisen selbstbewusst. Du wächst über dich hinaus und das jeden Tag. Ob es die Tatsache ist, dass du alleine losgezogen bist oder einfach, dass du deinen Alltag in einem dir völlig fremden Land bewältigst und du jeden Tag etwas Neues lernst, deine Sinne inspirierst – das allein macht selbstbewusst.
Vor allem aber macht es auch stolz von deinen Abenteuern zu erzählen und auch das Feedback „Wie? Du warst alleine unterwegs? Respekt!“ macht zugegebenerweise auch ein wenig stolz („Ja, ich hab das alles ganz alleine gemanaged!“). Mein besonders stolzer Moment war als ich in Neuseeland zum ersten Mal auf der linken Straßenseite gefahren bin. Ich weiß noch wie ich die Musik aufgedreht und einfach nur den Moment genossen habe (YAY, I did it!).
Mama ist die Beste!
Dazu kommt auch, dass solo reisen und reisen allgemein Charakter schafft. Wir lernen zu schätzen was wir haben und vor allem was wir dann beim reisen nicht haben – unsere Familie und Freunde. Man ist alleine. Und wisst ihr was? Auch wenn es schmerzt der Familie erst Mal Lebewohl zu sagen, ist es ein bittererer und doch süßer Schmerz. Ohne den Schmerz, gäbe es ja schließlich nicht die Einsicht wie viel man sich bedeutet. Egal was für ein Chaos manchmal in der Familie herrscht, man liebt sich ja doch. Und das wurde mir in den Momenten, in denen ich meine Familie nicht sehen konnte, verstärkt bewusst. Besonders stark ist die Verbindung zu meiner Mutter geworden. Und ich liebe die Tatsache, dass ich ganz genau weiß auf wen ich mich verlassen kann (I love you, Mom). Ohne das Reisen wäre es mir nie so bewusst geworden und meine Beziehung zu meiner Familie hätte sich nicht so intensiviert.
Geh weg, Überkonsum!
Man realisiert aber noch eine ganz andere Sache. Wenn man monatelang mit einem 13 kg Rucksack durch die Gegend rennt – durch Wind, Hitze und Regen – dann realisiert man wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein. Als ich nach einer Reise wieder zu Hause war, war mein erster Gedanke, „Wie viel Zeug habe ich denn bitteschön?“. Ob es Parfüms waren, Bodylotions, Klamotten, Schuhe, Schmuck – es war von allem zu viel.
Es sind einfach Dinge, die ich nicht wirklich brauche. Wie Ballast, der mich runterzieht. Also habe ich einen großen Teil meines Kleiderschranks verschenkt (inkl. Lotions und Parfüms). Es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man bewusster konsumiert und mit weniger auskommt. Zu dem muss ich sagen, dass Dinge einen auch fester binden, und je weniger man hat, umso schneller kann man den Koffer wieder packen 😉
Dankbarkeit für das was man hat!
Man wird mit so vielen anderen Wahrheiten konfrontiert da draußen, dass sich der eigene Horizont erheblich erweitert. Andere Perspektiven des Lebens, geben auch dir andere Perspektiven und all die ach so großen Probleme, die man so hat, werden relativiert. Und man weiß wie gut man es eigentlich hat. Ich zum Beispiel mag es überhaupt nicht, wenn man über Deutschland herzieht. Besonders diejenigen, die ihr Buxtehude Dorf noch nie verlassen haben, außer für einen Pauschalurlaub auf Malle, sagen schnell mal „Deutschland ist kacke!“ Nein, ist es nämlich nicht!
Das Land, in dem ich aufgewachsen bin hat sehr viel zu bieten. Ein super soziales Auffangnetz, ein gutes Versicherungssystem und ein hoffentlich bald noch besseres Bildungssystem, Meinungsfreiheit und politische Stabilität (!!!). Außerdem gibt es grenzenloses Internet, Leute! Wisst ihr wie viel das Wert sein kann? In Neuseeland musste man in jedem Hostel und Restaurant Internet via Gutscheine kaufen (Just sayin’)! Aber mal im ernst. In Malaysia zum Beispiel hab ich Hassim getroffen. Er kam aus dem Sudan. Seine Definition von Normalität, war meine vom Chaos. Er kommt aus einem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land, in dem der Tod täglich zu Gast ist. Das war schon crazy, sich mit ihm über sein Land zu unterhalten. Also was ich sagen will ist, dass andere Lebensweisen in anderen Ländern einem die Augen öffnen und zeigen wie gut man es doch in den westlichen Breitengraden hat.
Wie? Ich bin jetzt 1 Stunde lang in die falsche Richtung gelaufen? Was soll’s!
Wenn man so alleine durch die verschiedensten Länder reist, dann reflektiert man besser und wird einfach gelassener. Lange Flüge, nervige Passagiere, unfreundliche Passkontrolleure oder Flughafenmitarbeiter härten ab. Was bringt es denn sich immer aufzuregen? Für was? Glück ist nicht das einzige, das, wenn es geteilt wird, sich verdoppelt. Schlechte Laune ebenso. Wenn man die schlechte Laune eines anderen aufnimmt und sie dann weiter gibt, bringt das niemanden was, außer noch mehr schlechte Laune für uns selbst und unserer Umgebung. Stattdessen, einfach innerlich darüber hinweg lächeln – das ist oft meine Devise.
So viel zu den positiven Konsequenzen des solo Reisens. Es macht willensstark, unabhängig, gelassen, dankbar und vor allem selbstbewusst. Aber es macht noch etwas mit einem. Alleine reisen und immer wieder zu reisen macht rastlos. Was an und für sich keine schlimme Sache ist, oder doch? Alles im Leben hat zwei Seiten. Wir haben gute Tage, wir haben schlechte Tage. Ohne Regen gibt es nun mal keinen Regenbogen und diese Zweischneidigkeit trifft auch auf die Rastlosigkeit zu.
Keine Woche zurück, schon freue ich mich oft wieder auf das Losziehen. Auf das Abenteuer und die Abwechslung, die auf mich wartet. Ich habe unendliche Vorfreude. Doch nur in den ganz bestimmten Stunden habe ich Zeit zu realisieren was der Preis für das ständige unterwegs sein ist.
Es ist ein schmerzhafter Prozess. Besonders was Freundschaften angeht. Sie verschwinden durch die Distanz am Horizont. Ja, manchmal finde ich es sogar schade, dass ich keine feste Clique mehr habe, die lieb zu Hause auf mich wartet, sondern ich meine engsten Freunde an einer Hand abzählen kann und sie alle an verschiedenen Orten leben. Die Zeitverschiebung und das simple physikalische nicht Dasein können, macht das ganze noch schwerer und man fühlt sich an manchen, besonders schlechten, Tagen auch mal einsam.
Seit 2010 bin ich regelmäßig umgezogen. Erst 3,5 Jahre Holland, dann 0,5 Jahre Türkei, dann 1 Jahr Berlin und zwischen durch immer mal wieder für Monate gereist. Und nun bin ich seit einem Monat in Kanada und bleibe voraussichtlich für ein Jahr hier und dann? Wieder los? Ich weiß es nicht, aber auf meiner Liste stehen noch so einige Länder und Orte. Und auch wenn es nicht immer einfach ist, folge ich meiner Abenteuerlust. Und wofür?
Warum reise ich eigentlich?
Weil es mir mein Zukunfts-ich danken wird und ich der Zukunfts-Irene wirklich nicht erklären möchte, warum die andere Irene zu feige war ihrer Abenteuerlust zu folgen. Vor allem weiß ich aber auch, dass ich es mir nicht verzeihen könnte die Welt nicht zu erkunden, nur weil ich Angst habe zu Hause “was zu verpassen” oder Freunde zu verlieren. Denn eigentlich sehe ich das Reisen eher als ein Sieb. Ein Sieb, das mir zeigt was wirklich wichtig im Leben ist und wer meine engsten und wahren Freunde sind, die noch an mich denken, auch wenn sie mich nicht sehen können.
Auch finde ich, dass wenn ich ehrlich bin, alleine sein auf reisen überaus gesund und notwendig ist für die persönliche Entwicklung. Auch sind die einsamen Phasen nur kurze Augenblicke im Vergleich zu all den reichen Glücksmomenten, die man während des Reisens hat. Aber das ist ein Thema, das einen eigenen Artikel verdient hat (steht auf meiner To Do List :)).
Zu dem, bin ich mir einfach sicher, dass es für uns da draußen mehr gibt als nur Rechnungen bezahlen und arbeiten. Wir sind hier, um das Beste aus unserem Leben zu machen! Wir sind die Generation Y, die so viel mehr kann, als sich nur über zu geringe Praktika-Gehälter zu beschweren und BWL oder irgendwas mit Medien zu studieren (no offense). Ich denke wir sind Träumer, die viel vorhaben und großes Leisten können, wenn wir nur wollen. Und wir haben die einmalige Möglichkeit und das Privileg nicht mehr um unser nacktes Überleben kämpfen zu müssen wie unsere Großeltern. Oder auf Nummer sicher zu setzen wie unsere Eltern. Wir haben die Möglichkeit egoistisch zu sein und Dinge zu machen, die uns wirklich interessieren!
Ich folge meiner Abenteuerlust und meinem gesunden Egoismus um meinetwillen! Ich lebe nur einmal und will alles mitnehmen was geht. Deswegen reise ich und das auch gerne alleine. Und ihr solltet es auch tun, weil es euch nicht nur selbstbewusst, willensstark, unabhängig, gelassen, dankbar macht und euren Horizont unheimlich erweitert, sondern weil ihr nur dieses eine Leben habt und ihr das Beste daraus machen und es mit reichen Momenten füllen solltet.
Denkt mal drüber nach. Am ende des Tages stellt sich nur die Frage was ihr aus eurem Leben machen wollt? Wollt ihr Dinge sammeln oder kostbare Momente? Und ihr müsst euch fragen, ob ihr wirklich Lust habt eines Tages eurem Zukunfts-Ich gegenüber zu stehen und reumütig sagen zu müssen „Ich weiß, hätte ich mal (…)“.
Eure
Eireeen <3
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