The Black Hoodie Blog
Achtsamkeit

Bist du Chinesin? Frag’ nur wegen dem Coronavirus – Rassismus in Australien

Im Titelbild sind sie – meine Füße. Die Füße, die mir jeden Tag auf’s neue das Reisen, vereinfacht gesagt, ermöglichen. Sie haben mich durch die Wüste des Omans getragen, durch die Kanadischen Rockies und die Regenwälder Australiens, durch gute, aber auch schwere Zeiten. Lange jedoch haben sie mich nicht durch den Rassismus geschleppt. 

Rassismus hat viele Gesichter im Alltag. Manchmal ist er ganz klar zu erkennen und manchmal versteckt er sich hinter Unwissenheit, vielleicht auch Ignoranz und augenscheinlich unschuldigem Verhalten. Er versteckt sich so in den kleinen Gesten.

Es sind aber genau diese Kleinigkeiten, die den Rassismus so stark machen, da man ihn so nicht sofort ertappen kann. So wird er ganz schleichend stärker und verankert sich in unseren Denkmustern – ohne dass wir es vielleicht mitkriegen und wir ihn (un)bewusst weitergeben an Freunde, Familien und auch an unsere Kinder. 

Dementsprechend ist es wichtig ihn früh genug zu erkennen, genau wie bei einer echten Krankheit und somit ein Licht auf fremdenfeindliches und rassistisches Verhalten zu lenken.

Und das sofort – damit aus den kleinen Gesten, keine Pro-AFD Wahl entsteht. Damit keine Normalität entsteht für Verhalten, das schlichtweg unnormal und unmenschlich ist. 

Also, hier komme ich nun mit meiner kleinen metaphorischen Taschenlampe und versuche Licht zu werfen.

Licht auf ein Erlebnis in Australien und auf Menschen, die in Zeiten der Angst und Ungewissheit in Richtung panische Xenophobie und Dummheit laufen. 

Ich bin auf Weltreise. Und seit dem ich im Februar in Thailand gelandet bin, gab es immer wieder News zum Thema Coronavirus. Erst in China, dann in weiteren Ländern Südostasiens, im Mittleren Osten und sogar Europa. Und jetzt auch in Australien, in dem Land, in dem ich zur Zeit stecke.  

Rassismus im Australischen Alltag seit dem Coronavirus

Gerade in Australien reagieren die Leute, seit dem Ausbruch zu Lande extrem. Es werden wilde Gerüchte verbreitet – wie zum Beispiel, dass das Toilettenpapier aus China kommt und dort die Produktionshallen geschlossen werden, damit der Virus sich nicht weiter verbreitet.

Eine Massenhysterie bricht aus. Alle haben Angst, dass sie bald kein Zugriff auf Toilettenpapier haben. Die Regale in den Läden stehen leer – nur noch Staub ist zu sehen. Dennoch, das Toilettenpapier geht zwar noch, aber in die asiatischen Restaurants wollen die Australier nicht mehr gehen. 

Es werden auch keine Asiatischen Studenten in die Clubs gelassen. Eine andere Geschichte, die ich hier vor Ort von einer Mitreisenden mitbekommen habe. 

Mit einem mulmigen Gefühl starteten wir dennoch unseren Roadtrip. Australien ist ein wunderschönes Land, das konnte ich schnell feststellen.

Mit seinen unglaublichen Stränden und üppigen Regenwäldern und den malerischen Landschaften des Hinterlands, sieht Australien bunt aus, offen und einladend. 

Und mein Körper fing an zu zittern vor Wut – Was ist passiert?

Es war spät Abends als wir an unserem Airbnb in Byron Bay ankamen. Erst nach mehrfachen Anrufen, öffnete John uns verspätet die Tür. Ich war genervt, aber das verflog schnell als wir uns mit John unterhielten. Er war offen, interessant und lebte ein Leben außerhalb der corporate world. Er hat seinen gute bezahlten Job aufgegeben, um anderen das Gitarre spielen beizubringen. Sympathisch – fand ich.

Nach kurzer Zeit wurden wir Craig vorgestellt. Der Freund, der für ein paar Tage auch im Haus schläft, um beim Umbau des Pools mitzuhelfen.

Craig. Ja, Craig war ein wenig rougher um die Ecken herum. Er war im Vergleich zum behutsamen John, lauter, aufmüpfiger und einfach “out there” as they say. 

Kurze Zeit später haben wir uns verabschiedet und sind einkaufen gefahren. Als wir wieder zurück kamen, bin ich mit den Tüten aus dem Auto und schon mal reingelaufen.

Ich stehe in der Küche und versuche mich zu orientieren, wo muss was hin und wo finde ich den Topf und den Rest, um wieder einmal Pasta zu kochen (Australien ist einfach zu teuer, um ständig essen zu gehen). 

John und Craig kamen auch dazu. Wir unterhielten uns kurz über das Leitungswasser und ob man es trinken könnte, als Craig mich auf einmal gefragt hat, ob ich aus “Toronto” komme. 

Ich war überrascht, dass er das so korrekt erahnen konnte, aber hab mir nichts weiter darüber gedacht. Im Gegenteil, mit Freude habe ich ihm über Toronto und Kanada, meiner zweiten Wahlheimat erzählt. 

Bis ich schnell bemerkte, dass Craig ganz verdutzt auf John starrte. Dann wieder auf mich. Dann wieder auf John. 

“Seit wann bist du “von dort” abgereist?”, fragt er mich. Ich überlegte kurz. “Naja, seit Dezember”, sagte ich. Zu dem Zeitpunkt habe ich meine Familie in Deutschland besucht. 

Mehr Panik tauchte in seinen aufgerissenen Augen auf. Und er guckte wieder zu John, als ob er ihm was sagen wollen würde. Ihn quasi warnen wollen würde.

Da stimmt doch was nicht. Ich musste nachfragen. Und als ich ihn fragte, ob er “Toronto” gesagt hätte, verneinte er das und sagte stattdessen: “Bist du Chinesin habe ich gefragt, du weißt schon wegen dem Coronavirus?”

Mein Herz blieb stehen und mein Körper fing an zu zittern. Vor Wut, vor Fassungslosigkeit und auch Enttäuschung. 

Nein sagte ich mit starker Stimme. Ich komme nicht aus China, ich bin Deutsch. Mein Freund kam in diesem Moment zur Tür hinein und ich ging schweigend nach oben in unser Zimmer. 

Rassismus ist eine Krankheit, älter als der Coronavirus

Gedanken kreisten um mich herum. 

Was wäre gewesen, wenn ich “ja, ich bin Chinesin” gesagt hätte? Hätte er mich rausgeschmissen? Was wäre dann? 

Mir vielen daraufhin auch weitere Moment ein. Momente, die auf einmal einen Sinn ergaben. So wie der Moment, in dem eine Frau eine ganz Sitzreihe gewechselt hat als sie mich und meinen Freund hinter sich bemerkt hatte. 

Oder der Moment, als eine andere Frau uns mit unseren Backpacks zunächst angelächelt hat, aber sobald ich meinen Hut und meine Sonnenbrille abnahm sofort aufhörte und verklemmt wegschaute. 

Ich musste auch an meine Vergangenheit denken und an andere Erlebnisse, als ich im Supermarkt an der Kasse gearbeitet habe, um mein Taschengeld aufzubessern und dort von einem Rassisten lautstark beleidigt worden bin mit Sätzen wie-

“Menschen wie du klauen uns die Arbeitsplätze!”

“Geh wieder zurück wo du hin gehörst!”

Ich war 16 Jahre alt. Wir sind als ich 3 Jahre alt war aus meinem Geburtsland Kirgisien ausgereist. Unter anderem wegen Rassismus. Da mein Vater Deutsche Vorfahren hat, waren wir für die Kirgisen nicht “Kirgisisch” genug.  

In dem Land in dem ich geboren bin, war ich nicht gut genug. In dem Land in dem ich aufgewachsen bin, war ich nicht gut genug.

Ein ewiger Zwiespalt begleitet mich, schon von Kindheit an. 

Das schlimmste an der Sache damals? Dass kein Mensch in der Schlange an der Kasse auch nur ein Wort verlor. Und genau aus dem Grund schreibe ich diesen Artikel. 

Schweigen, wenn etwas vor unseren Augen passiert, dass falsch ist, ist wie selbst bei der Tat mitzuhelfen. 

Die Medien als Katalysator für die Massenpanik um den Coronavirus

Die Medien und ihr Einfluss auf die Massenpanik sind unumstritten.

Schlechte Neuigkeiten, eine negativ Schlagzeile nach der anderen. Es ist leicht panisch zu werden, wenn man nur mit negativen Schlagzeilen umgeben ist. 

Die positiven Schlagzeilen ziehen halt nicht so. Der Mensch braucht Gedanken, die einen Beschäftigen. Das Gehirn ist einfach so verkabelt und das liegt an unseren Genen. Jahrhunderte lang mussten wir ums Überleben kämpfen – echtes Überleben meine ich. Probleme lösen, damit wir uns retten können. Again, ich meine damit echte Probleme. 

Da ist der Coronavirus ein perfektes Fressen für unseren Verstand. In unserem privilegierten und eurozentrischem Leben ist sonst nicht wirklich viel los, so dass der Verstand so was wie den Coronavirus mehr als nur dankend annimmt und damit auch die Panikmacherei ohne sie einen Moment zu hinterfragen.

Deshalb sag ich immer einen kritischen Gedankenansatz in den Tag legen und wenn man was aus den “Medien” hört, immer fact checken.

Dann wird auch schnell klar, dass der Coronavirus nur wirklich lebensbedrohlich ist für diejenigen, die unter vorher existierenden Krankheiten leiden und über 50+ Jahren sind.*   

Coronavirus ist ein Gesundheitsproblem, kein Rassenproblem

Zu dem kommt noch, dass der Begriff “Rasse” ein sozialer Begriff ist und ganz genau genommen kann man beim Menschen keine Rasse feststellen. Man kann durch die DNA Tests sehen wo deine Vorfahren herkommen, but that is it. **

Und jetzt?

Kill them with kindness, das ist mein Motto. Ich versuche mit positiver Energie aus dieser negativen Situation rauszukommen. Und jedem Australier, dem wir begegnen will ich offen und herzlich entgegenkommen. Egal wie er oder sie mir entgegen kommt. Ich hab das Gefühl ich repräsentiere “die Asiaten” zur Zeit – gerade in Australien, wo man so wenig diversity sieht – und will mir extra viel Mühe geben sie kennenzulernen und vielleicht auch ihren Vorurteilen ein Ende zu machen. 

In Zeiten wie diesen, brauchen wir mehr Zusammenhalt, mehr Wir-Gefühl und weniger Fremdenhass, Trennung und Abspaltung. Wir müssen als Menschen zusammenhalten. 

Ich bin ein Weltbürger und du?

Ich bin ein Weltbürger und als Weltbürger möchte ich Aufmerksamkeit auf solche Situationen lenken, damit diesen Menschen ihr Fehlverhalten bewusst wird. 

Und damit auch anderen gezeigt wird, dass vermeidlich kleine Gesten wie die Frage stellen: “Ob du Chinesin bist hab ich gefragt, du weißt schon wegen dem Coronavirus?”, nicht okay sind. 

Wenn du jemanden siehst, der in seinem Verhalten latente oder auch offensichtliche rassistische Motive hat, bitte sofort eingreifen und die Person aufklären.

Bleibt gesund und wascht eure Hände. 

Eure Irene


*Quelle: BBC  / **Quelle: Die Welt

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