Einatmen. Ausatmen. Mein Herz klopft. Ich nehme diesmal die Treppe, anstatt den Fahrstuhl, und langsam, beim runter gehen und verlassen des Bürogebäudes, in dem ich Tag ein, Tag aus gearbeitet habe, realisiere ich was gerade passiert ist. Das war mein letzter Arbeitstag. Ich gehe und fühle mich ein bisschen wie in einem Film. „Alles ist möglich“ denk ich mir. Und gehe weiter meinen Weg zur Bahn.
Das Witzige an der Sache war, das was auch das Paradoxe an vielen endgültigen Entscheidungen ist, dass ich eine kurzes Gefühl von Wehmut in mir verspürte und ein „Ach, so schlimm war es doch gar nicht“ und ein „Sie werden mir schon alle fehlen“ in mir hoch kam.
Ich weiß nicht, ob ihr die Folge kennt, aber bei How I met your mother, da gibt es eine Szene, in der Ted mit Zoe Schluss machen will, aus vielen Gründen, die auch Sinn machen, aber jedes Mal, wenn er kurz davor war es zu tun, begann er sie in einem völlig anderem Licht zu sehen. Ihr Haar wehte total romantisch und süß um ihr Gesicht herum und es erschien ihm auf einmal total dämlich Schluss machen zu wollen. So ist es doch auch oft in Situationen aus denen man eigentlich raus möchte, doch wenn man dann wirklich kurz davor ist die Eier auszupacken und auf den Tisch zu knallen, dann sche*sst sich jeder ein und „redet“ sich die Situation schön, um sie erträglicher zu machen und sie doch nur hinauszuzögern.
„So schlimm ist es hier nicht!“
Wie dem auch sein mag, habe ich meinen Ted Moment gut überstanden. Trotz der Schönredungen habe ich mich für einen neuen Lebensabschnitt entschieden. Sind ja auch meist eh keine Schönredungen, sondern eher Ausreden, um sich selbst zu rechtfertigen. Zu dem Thema habe ich auch einen Artikel verfasst, den findet ihr hier. Damit keine Missverständnisse entstehen. Ich habe meinen Job und das Team um mich herum geliebt und schätze die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. Ich bin sehr leidenschaftlich, wenn es um die Arbeit geht, da ich wie wenige, einen Job gefunden habe, der mir wirklich gefällt. Aber dennoch wusste ich, dass ich einen neuen Abschnitt wagen muss. Ich erfülle mir nun meinen kleinen Traum und gehe noch einmal weg. Für mich selbst halt.
„Was machst du, wenn du wieder kommst – dann hast du doch gar nichts mehr?“
Leider musste ich mich seit der Entscheidung nach Kanada zu gehen mit immer wiederkehrenden Fragen plagen. Okay, so schlimm war es nun auch wieder nicht, aber – let’s face it – immer angenehm waren die vielen Hinterfragungen auch nicht. Sie haben mich leider auch hin und wieder verunsichert. Aber tief in mir drin, weiß ich, dass alles gut wird. Ich habe Zuversicht für mich. Und vor allem glaube ich an die selbsterfüllende Prophezeiung wie Shakespeare in McBeth schon illustrierte. Wenn man nur an sich glaubt, dann kann man Berge versetzen und eventuell auch König werden 😉
Vor allem konnte ich mir diese Gelassenheit und Zuversicht durch meine Reisen aneignen. Wenn man alleine als Girl unterwegs ist, muss man lernen zuversichtlich zu sein und gelassen zu bleiben, sonst macht man sich nur verrückt.
So und nun an alle, die mich immer wieder das Selbe fragen. Ich weiß nicht, was in einem Jahr sein wird. Das weiß niemand. Ich weiß nur, dass ich mich nicht durch Statussymbole definiere und mir meine Möbel egal sind. Kaum zu glauben, aber wahr. Ich weiß, dass viele da draußen ihre Zeit und das Leben in materielle Dinge investieren. Viele sparen Geld für die eine Uhr, für das eine Paar Schuhe oder für das eine Auto. Das ist auch vollkommen okay, aber ich spare für die Erfahrung. Wie auch viele andere heutzutage spare ich für meine Reisen und für die Erinnerungen, die daraus wachsen.
„Gewohnheit ist des Glückes Tod“
Wenn ich wieder komme habe ich einmal mehr einen riesen Schatz an Erfahrungen und Geschichten gesammelt und stehe nicht wirklich „mit nichts dar“. Und wie sagte einmal Dr. Thomas Gilovich, „Im Leben geht es um Erinnerungen – nicht um Diamanten“. Der Psychologie Professor der Cornell University sagt einfach, dass wir uns Sachen kaufen damit wir glücklicher sind, dabei sind wir auch erfolgreich. Aber nur für eine Weile. Neue Dinge sind nur am Anfang aufregend, aber dann gewöhnen wir uns an sie. Sie verlieren an Glanz. Ich selbst sage nicht, dass man sich nicht hin und wieder was gönnen soll. Ganz im Gegenteil, man soll sich ja auch mal belohnen. Das mach ich auch mal gerne.
Aber ich sage, dass man auf Dauer mehr von Erfahrungen hat, da sie unsere Identität prägen und ein Teil von uns werden. Denn wir sind nicht nur der Durchschnitt aus den 5 Leuten mit denen wir am meisten rumhängen, wir sind auch die personifizierte Summe unserer Erfahrungen. Denkt mal drüber nach. Wenn ihr mal an eurem Lebensabend angekommen seid, schwelgt ihr sicherlich nicht in Erinnerungen über wie schön es war als ihr euch vor allen anderen die neuen adidas Schuhe in limitierter Auflage gekauft habt. Ihr werdet euch viel eher an die sogenannten guten alten Zeiten erinnern, in denen ihr durch die Geschichten anderer gewachsen seid oder andere durch das Teilen eurer Geschichten inspiriert habt.
Ich sehe das so. Jeder kommt an sein Ziel, die Frage ist nur wie viel derjenige aus seinem Leben mitnimmt. Ich mein man kann alles nacheinander abhaken: Abi, Ausbildung, Studium BA, Studium Master, arbeiten, arbeiten, arbeiten und arbeiten. Man wird sicherlich auch dann happy. Oder man macht halt ein paar Umwege auf dem Weg zur Glückseligkeit (Siehe meine Skizze unten).
Wie ihr seht, macht jeder so seinen Weg.
Dennoch frage ich mich, warum mich dann doch viele verwirrt und besorgt anschauen, wenn ich ihnen von meinen Plänen erzähle. So als ob ich einen Fehler begehe? Warum ist es für viele immer noch unbegreiflich, wenn man etwas „anderes“ macht? Was ja eigentlich auch nicht wirklich so anders ist.
„Den Job hätte ich an deiner Stelle nicht gekündigt!“
Ich glaube weil viele es einfach nicht besser wissen. Sie sind noch nie gereist. Sie haben ihren Ort wahrscheinlich nur für einen Pauschalurlaub verlassen und das war es auch schon. Und deswegen haben sie eine Eigenschaft auch nicht – die Zuversicht. Ich bin nicht naiv und blöd bin ich auch nicht, aber ich bin zuversichtlich, dass am Ende alles gut wird, ansonsten wäre es nicht das Ende 😉 Ich sage nicht, dass ich alles richtig gemacht habe und machen werde. Aber ich sage, dass ich das schon hinkriegen werde. Auch wenn nicht immer alles glatt gehen sollte. Denn warum fallen wir? Um uns wieder aufzurappeln (Phrasenschwein Alarm!).
Vielleicht machen sie es auch nur, weil sie es sich selbst mal verboten haben so zu denken und sich nun ärgern und mir meinen Thunder stehlen wollen. Vielleicht aber sind sie ja auch aufrichtig besorgt…wie dem auch sei.
Ich sage ja auch nicht „An deiner Stelle hätte ich keinen Kredit für den Wagen aufgenommen“ oder „An deiner Stelle hätte ich jetzt nicht geheiratet!“. Und wisst ihr warum man so etwas seltener hört? Weil die Gesellschaft sagt, dass es okay ist, den einen Weg zu gehen, den die Mehrheit geht. Warum aber verlassen sich viele auf die Masse – die Gesellschaft – anstatt auf sich selbst?
„So oder so kommen wir alle mal ans Ziel!“
Jeder macht seinen Weg schon und manche haben dann noch spannende Geschichten, die sie ihren Kindern und Enkelkindern erzählen können. Also lasst euch von der Gesellschaft nicht vorschreiben was okay ist und was nicht, wenn ihr eure Träume verfolgen wollt, dann macht das! Am Ende des Tages seid ihr niemandem Rechenschaft schuldig außer euch selbst – das ist was zählt! Ihr müsst mit euren Entscheidungen glücklich sein und vor allem dahinter stehen. Wenn ihr nun ein Leben im Ausland oder euch Selbstständig machen wollt oder auf einmal gerne Hot-Dog Verkäufer, Handmodel oder Kreuzfahrtschiff-Entertainer sein möchtet – dann macht es. Denn wenn nicht jetzt, wann dann?
Bis bald,
eure Eireeen
9 Comments
gudrun soin
April 10, 2015 at 3:33 pmMutiges Mädchen, mach Dich auf Deinen Weg. Ich wünsch Dir ganz viel Glück und ganz viele neue und gute Erfahrungen. Angst zu überwinden und neue Wege zu gehen ist ganz wichtig ! LG
Eireeen
April 10, 2015 at 3:36 pmDanke dir Gudrun! <3
Patrick von traumauswandern.de
April 16, 2015 at 12:25 pmDeine Skizze bringt vieles auf den Punkt! Erfahrungen und Erinnerungen kann dir niemand nehmen und mit ihnen wird deine Kurve immer steiler nach oben gehen. Toi Toi Toi – #youreinmyfeed
Patrick
Eireeen
April 16, 2015 at 2:45 pmHallo Patrick! Vielen Dank für deinen Kommentar 🙂 Danke dir auch für deine Worte!Ich bin gespannt wie es sich entwickeln wird!
We keep in touch!
Christian
April 24, 2017 at 9:00 pmKlasse geschrieben und ich finde mich in so vielen Punkten wieder.
Lebe zur Zeit in Mexiko und habe mich gerade auf einen Job in Kanada beworben :).
Seit ich das erste mal 2005 Deutschland verlassen habe finde ich immer wieder “ausreden” nicht zurück zu gehen und lieber woanders weiter zu machen :).
Irene
April 26, 2017 at 12:09 amHi Christian,
Das freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat! Hoffentlich klappt es mit dem Job in Kanada, obwohl sich Mexico auch super anhört 🙂 Ich würde auch gerne das nächste Land anpeilen – vielleicht Australien? 🙂
Berufseinstieg im Ausland und dann gleich die Beförderung?
June 27, 2017 at 5:46 am[…] verändert. Ich habe meinen ersten Job, den ich direkt nach meinem Studium ergattert hatte, schon nach 9 Monaten gekündigt, um nach Kanada zu gehen. Seitdem arbeite ich schon seit knapp zwei Jahren im Land des […]
TimHorton
May 16, 2019 at 8:55 pmHi Irene, ich finde Deinen Blog echt Spitze! Eure Erfahrungen sprechen mir echt aus der Seele – ich war für gut 1,5 Jahre in Kanada, musste das Land dann aus visatechnischen Gründen kurzfristig verlassen. Mittlerweile habe ich die Permanent Residence und Kanada würde sich über meine Rückunft freuen… Ich denke auch daran, fast jeden Tag… Allerdings hat sich in der Zwischenzeit mein “konservativer Weg” in Mitteleuropa recht gut entwickelt… Die morgendlichen Abenteuer in der Ubahn sind aber nunmal nicht das gleiche… Die Entscheidung in Kanada zu bleiben ist so schwierig, was hat Euch dabei geholfen? LG
Irene
May 18, 2019 at 9:11 pmHi Konstantin,
Danke für deinen Kommentar. Wie du hast die PR, aber lebst in Europa? Wow! Viele, die die PR bekommen (nach unendlich viel bemühen und hoffen) bleiben erstmal in Kanada 🙂 Wie kam es dann bei dir dazu?
Ja, ich muss aber auch sagen, dass Leben in Kanada ist ja auch zur Routine geworden. Mein Partner und ich haben beide gute Jobs, die wir echt gerne machen, aber dennoch mir persönlich juckt es in den Fußsohlen. Ich hab diesen einen riesigen Traum und will die Welt bereisen. Zur Zeit sparen wir wie die wilden auf die Reise und hoffen, dass es am Ende des Jahres losgehen kann. Danach weiß ich noch nicht was dann kommt. Vielleicht wieder zurück nach Kanada? Mal schauen!
Liebe Grüße und bis bald!