Normalerweise trifft man immer alle möglichen Leute auf Reisen. Deswegen sag ich eigentlich immer: „Du bist nie wirklich alleine, obwohl du alleine reist.“ In Hostels oder unterwegs trifft man immer irgendwen, der das selbe Schicksal teilt und auch mitten auf der Durchreise ist. Man ist eigentlich ständig irgendwie in irgendwelchen Gesprächen und lernt die faszinierendsten Menschen kennen! Das ist genau das, was ich am Solo-Reisen so liebe! Aber in Neuseeland war da ein bisschen anders.
Neuseeland hat mich auf eine ganz andere Art verändert und mir in vielen Dingen die Augen geöffnet und mir Klarheit über das Unklare gebracht. Nicht unbedingt das Land an sich, sondern eher die Tatsache, dass ich alleine war. So ganz alleine.
Was bedeutet alleine sein?
Okay, zunächst einmal muss ich euch erklären wie alleine ich eigentlich in Neuseeland war und warum es so war. Ich war im Oktober zum Frühlingsanfang und in der Nebensaison dort. Das tolle war, dass ich dadurch ein unglaublich gutes Angebot für meinen Van finden konnte. Für die selbe Mietwagenfirma hab ich dann auch einen Camper-Van, der eigentlich für 3 Personen gedacht war, relocated (#denglisch). Und das für Zero Pesos. Sie bezahlten sogar Benzin für die gefahrenen km und meine Überfahrt von der Süd- zur Nordinsel. Ein Traum!
Aber zurück zum eigentlichen Punkt. Ich war in Neuseeland alleine im Van unterwegs und durch die Tatsache, dass Neuseeland wirklich teuer ist, hab ich viel Freedom Camping gemacht und demnach irgendwo auf Parkplätzen und zwischen Wohnblocks übernachtet. Nur wenn ich duschen musste hat es mich auf Campingplätze und Hostels verschlagen (an dieser Stelle gibt es ein Hoch auf Babytücher). Und dadurch, dass ich in der Nebensaison da war, hab ich dort wirklich kaum Menschen getroffen. So richtig strange. Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, dass es gut so war.
Einmal war ich auf einem Campingplatz die einzige Person, Leute. Wisst ihr wie unheimlich das war? Keine Menschenseele und Abends beim Duschen in der Dunkelheit gab es auch noch Gewitter, was zu einer extra großen Paranoia geführt hat. Naja, ich lebe ja noch. Also alles gut.
Ich hatte am Tag vielleicht einmal Kontakt mit Menschen und dabei war der Kontakt limitiert auf Small Talk während man an der Kasse steht oder so. Ansonsten war ich alleine. Alleine im Auto, alleine beim fahren, alleine beim Essen, allein beim wandern, naja ihr wisst schon was ich meine. Alleine halt. Irgendwann hab ich mir selbst versprochen mindestens einmal am Tag mit Leuten zu sprechen, damit ich meine social skills nicht total verkrüppeln lassen (natürlich eher mit Humor gesehen als im Ernst gemeint).
Aber das Alleinsein hat mir geholfen mich endlich mal mit selbst zu beschäftigen.
Denkt mal drüber nach wie oft ihr am Tag eigentlich wirklich alleine seid? Es gibt Menschen da draußen, die das nicht können. Alleine sein. Ich gehörte einmal zu diesen Menschen. Es ist ja auch nichts schlimmes daran, aber ich sag immer man selbst ist sich sein bester Freund und wenn man die Zeit mit sich selbst nicht wertschätzt, wie soll man die Zeit mit anderen aufrichtig wertschätzen können?
Heutzutage läuft doch eigentlich alles in Gruppen ab, besonders am Wochenende geht es oft nur darum wer auf welche Party geht und vor allem wer alles mitkommt. Je mehr desto besser. Alleine irgendwo hingehen? No f*cking way! Aber warum denn eigentlich nicht? Alleine in ein tolles Café gehen oder alleine im Park ein Buch lesen oder was für alle besonders schlimm ist, alleine im Restaurant zu essen. Einfach mal einen Moment mit sich haben. Das kommt für viele da draußen nicht in Frage. „Was denken dann die anderen um mich herum?! (…) dass ich keine Freunde habe?“
Stopp.
Hier liegt ihr schon falsch. Leute überschätzen oft wie sie eigentlich wahrgenommen werden und ob sie überhaupt wahrgenommen werden, weil sie übermäßig unsicher sind. Dieses Phänomen wurde auch von dem Psychologie Professor Dr.Thomas Gilovich betitelt und heißt: Spotlight Effect (Bedeutung: Menschen mit Spotlight Effect passen ihr Verhalten an die Menschen um sie herum an, um unbemerkt zu bleiben, da sie unsicher sind und angst haben verurteilt zu werden, obwohl tatsächlich die Veränderung ihres Verhaltens von den Menschen um sie herum gar nicht wahrgenommen wird).
Und wenn ihr mal richtig ehrlich zu euch seid, dann ist es oft doch auch wirklich so, dass man sich in der Gruppe anders verhält als wenn man zu zweit oder alleine ist. Andere Menschen bringen andere Dinge in uns hervor und das ist auch an und für sich gut! Wir lernen von anderen ja auch. Aber exzessives Gruppendenken führt auch zur Verlust der eigenen Identität (Vorsicht – Streber spricht).
Die große Frage „Wer bin ich wirklich?“
Alleine sein bringt Klarheit in vielen Situationen und es fängt schon bei den kleinen Dingen im Leben an. Fragt euch mal selbst: Was zeichnet mich aus? Was ist meine Lieblingsfarbe oder ist sie nur meine Lieblingsfarbe, weil sie gerade in ist? Oder welche Band mag ich? Mag ich sie nur, weil meine Freunde sie so toll finden?
Es ist wirklich wichtig, dass wir wissen wer wir sind und was gut für uns ist, denn nur so können wir auch die großen Entscheidungen in unserem Leben beschreiten. „Will ich die Ausbildungsstelle oder doch lieber studieren gehen?“, „Will ich ein Gap Year machen und für ein Jahr reisen oder doch lieber im Anschluss meines Studiums arbeiten gehen?“ oder „Was will ich vom Leben im Ganzen?“ Das sind wichtige Entscheidungen, die uns und nur uns selbst betreffen. Ich bin der Meinung, dass wir solche wichtigen Entscheidungen nur treffen können, wenn wir wahrhaftig wissen wer wir sind. Und so eine Selbstfindung, kann man meiner Meinung nach am besten durch das Alleine sein erleben und im optimalen Fall kann man es mit einer Reise verknüpfen – weit weg von jeglichem Einfluss aus dem direkten Umfeld.
Ich habe vorhin erwähnt, dass das Solo-Reisen in Neuseeland mir persönlich Klarheit über gewisse Dinge gebracht hat. Ich hatte verschiedene Erkenntnisse. Doch bevor ich die hatte, bin ich durch drei Stadien gegangen.
#Phase 1: Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt
Natürlich ist es total aufregend, wenn man alleine zum ersten Mal auf der linken Straßenseite durch die schönen Landschaften Neuseelands mit einem Van fährt. Es ist irgendwie befreiend, denn alles was man wirklich braucht fährt mit einem mit. Es gibt keinen Ballast, der mich zurück hält. In dem Moment genießt man nur das Jetzt und ich weiß noch, wie ich die Musik aufgedreht und mich wie eine Irre über diesen Augenblick gefreut habe (Yes, I made it!).
#Phase 2: Ich bin der einsamste Mensch auf Erden
Nach einer Zeit legt sich die anfängliche Aufregung und ich bin mitten in meinem Roadtrip angekommen. Zwischen Parkplätzen in Wohngegenden und der wunderschönen Weite Neuseelands finde ich kaum Menschen, die mir entgegen kommen. Nebenbei bemerkt es gibt in Neuseeland mehr Schafe als Menschen und das fällt auch mir auf. Ganz Neuseeland hat 4,5 Millionen Einwohner, nur Berlin alleine hat 3,5 Millionen. Das ist fast die selbe Anzahl an Menschen, nur halt auf ein ganzes Land verteilt anstatt auf eine Stadt und dementsprechend sehe ich kaum Menschen auf meinem Weg. Ich fühl mich isoliert und allein mit mir.
#Phase 3: Selbstfindung
In dieser Zeit habe ich angefangen mich mehr und mehr mit Dingen zu beschäftigen, die schon lange vergraben zu sein schienen – tief irgendwo im Herzen mit der Aufschrift „Öffne mich nicht – und schon gar nicht nach einer Flasche Wein!“. Ihr kennt das doch sicherlich? Jede hat doch so emotionale Leichen im Keller? Dinge, die offen und ohne Aussprache sind. Dabei kann es das kaputte Verhältnis mit einem Familienmitglied sein, oder ein Streit mit einer guten Freundin oder ein schrecklicher Break-Up mit dem vermeintlichen Mr.Right. Was auch immer es ist, es ist eigentlich vergraben und einem geht es ja gut – so lange man nicht drüber nachdenkt. Und als ich so alleine war, hab ich mich mal mit meinen emotionalen Leichen beschäftigt. Und irgendwie auf eine wunderbare leichte Art und Weise meinen Frieden gefunden #nodrama.
Als ich mich so richtig mit allem Verdrängtem beschäftigt habe, bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass ich gewisse Beziehungen einfach nicht mehr brauche und das schon gar nicht, wenn sie negativer Natur sind. Dabei habe ich auch gleichzeitig unfassbare Dankbarkeit empfunden für die Beziehungen, die mir gut tun. Wie zum Beispiel meine Beziehung zu meiner Mutter und seit geraumer Zeit auch die zu meinem Vater. Es ist so ein extrem schönes Gefühl, wenn man erkennt wie gut man es hat mit den Menschen, die einen umgeben.
Und ich sage euch, wenn ihr in einer Gruppe oder auch nur zu zweit unterwegs seid, beschäftigt ihr euch natürlich nicht so intensiv mit euch selbst, sondern fokussiert eure Aufmerksamkeit selbstverständlich auch auf den anderen, der mit euch unterwegs ist. Ansonsten wäre man ja auch irgendwie unsozial oder autistisch veranlagt.
Die Konsequenz davon ist einfach: Ihr lernt euren Gegenüber besser kennen, aber oftmals nicht euch selbst. Und das ist schade – wirklich schade. Alleine sein können ist sehr gesund und was wunderbares und ich finde es trägt erheblich zur persönlichen Entwicklung bei.
Heute noch lege ich Wert darauf Zeit mit mir selbst zu verbringen. Einmal habe ich meinem Freund gesagt, dass ich heute was alleine machen will. Er hat zwar im ersten Zug etwas merkwürdig geschaut, aber er hat es verstanden. Und nennt solche Aktionen von mir „Eat, Pray, Love – Phase“. Whatever. An dem Tag hatte er mich auch gefragt, warum ich mich so beeile, ich hätte doch mit keinem einen Termin. Daraufhin korrigierte ich ihn vehement und meinte, „Doch! Mit mir selbst!“
Und so schräg es auch klingen mag, finde ich ihr solltet es auch ausprobieren. Macht mal öfter was für euch und das auch alleine! Ihr könnt euch nicht vorstellen was für eine gute Zeit ihr haben werdet. Versprochen!
Eure eireeen <3
5 Comments
Mit dem Van durch Neuseeland – 10 Dinge, die du dafür wissen musst. | The Black Hoodie Blog
November 14, 2016 at 4:43 am[…] losgezogen – all by myself und es war das Beste was ich hätte für mich machen können, quasi die beste Selbstherapie, wie Balsam für die […]
Anna
December 17, 2017 at 12:00 pmLiebe Irene, danke für deinen schönen Blogposts. Ich informiere mich auch gerade dahingehend, ob ich alleine nach Neuseeland reisen soll. Ich war schon häufiger alleine verreist und habe damit kein Problem. Was ich mir nur denke – wie ist es auf Wandertouren oder so? Hattest du keine Angst, dass wir etwas passiert und dann keiner da ist um dir zu helfen? Das sind so meine Gedanken die ich aktuell noch habe?
Irene
December 21, 2017 at 9:36 pmHi Anna,
Vielen Dank für deinen Kommentar! Auf den Wanderwegen triffst du eigentlich immer Menschen. Je nach dem wann du in Neuseeland bist, kann auch viel los sein, so dass du eigentlich nie alleine bist. Im Winter ist dort Hochsaison, weil bei denen ja im Winter Sommer ist 🙂 Ich selbst war im Herbst da (also deren Frühling) und selbst da hab ich eigentlich immer Menschen getroffen, die mir entgegen gekommen sind. Denke immer an Wasser und Snacks, eine Karte, und folge immer den Schildern, dann sollte das kein Thema sein. Erkundige dich auch gut über den Wanderweg selbst und was für einen Schwierigkeitsgrad er hat. Wenn du dir wirklich nicht sicher bist, dann kannst du ja auch andere Backpacker fragen, ob die mit dir den Wanderweg machen wollen. Es kommt eigentlich immer einer mit 🙂
Lass mich wissen, wenn du noch Fragen hast!
Sandra
February 8, 2019 at 9:18 amHallo Irene,
aktuell plane ich auch eine “Solo-Reise” nach Neuseeland, bevor ich mit Freunden nach Australien gehe.
Dein Post hat mir echt geholfen und mir auch irgendwo die “Angst” genommen.
Dürfte ich fragen, welche Mietwagenfirma du hattest und wie du das ganze bzgl. essen etc. geregelt hast?
Bin aktuell recht am informieren über das Thema.
Irene
February 18, 2019 at 9:46 pmHallo Sandra,
Da freue ich mich ja riesig für dich! Ich hab mir das Auto von Eurocampers geliehen! Super Firma!! Ganz empfehlenswert! Vielleicht kommt für dich ja auch die relocation in Frage – dabei fährst du ein Van von A nach B (weil sie es im Ort B brauchen) und musst nur die Benzinkosten übernehmen!
LG
Irene