Stell dir vor, du gehst durch hüfthohe Gräser, der Weg vor dir unberührt. Man erkennt keinen klaren Pfad und muss den Sternen trauen oder einem Kompass folgen. Stell dir vor, du gehst und gehst und um dich herum starren die Berge auf dich und du auf sie. Mit jedem Schritt, den du gehst, scheinen die Berge sich nicht zu rühren, so groß und majästetisch sind sie. Stell dir vor, ein Tal erstreckt sich vor deinen Augen, so schön, dass sich die Härchen auf deinem Arm aufstellen und dir der Atem stehen bleibt.
Das alles und noch so viel mehr erwartet dich auf der Western Brook Pond Tageswanderung. Ein Wahnsinnserlebnis, das einzigartiger nicht sein könnte.
First things first, das Wichtigste was du wissen musst ist, dass du diese Wanderung nicht alleine machen kannst. Also, theoretisch – zumindest habe ich das so von einem anderen Reisenden gehört – könntest du es schon, aber du musst dem Nationalpark beweisen, dass du einen Kompass lesen kannst.
Dieser Wanderweg ist kein Zuckerschlecken und zählt zu den klassisch Kanadischen Hinterland-Wanderungen, die vor allem durch ihre unberührte Natur berühmt sind.
Wenn du diese Wanderung machen willst, dann rate ich dir, dass du sie früh genug im Voraus buchst, die Plätze füllen sich nämlich schnell. Die Hauptreisezeit für Neufundland ist zwischen Juli und August – das heißt, du hast nur ein kurzes Fenster, dass sich schnell mit Touristen füllen kann. Wir haben die Tour mit Bontours gebucht. Ich glaube das ist auch der einzige Anbieter, den es dort gibt.
Fakten
- Die Wanderung kostet $250 pro Person und dauert ca. 8 Stunden
- Der Wanderweg ist 18 km lang
- In einer Gruppe können bis zu 12 Leute dabei sein
- Es gibt einen Tourguide auf 6 Leute
- Die Wanderung ist aufgeteilt in 3 Strecken
- Western Brook Pond – 3 km Wanderung bis zu Anlegeplatz
- Western Brook Pond Fjord – 45 Minuten mit dem Boot über den bezaubernden Fjord
- Western Brook Pond, Anlegestelle – die eigentliche Wanderung beginnt, wenn das Boot dich absetzt
- Die Tourguides sind extrem gut ausgebildet und erfahren
Was muss ich mitnehmen?
- Wassercontainer, 2-3 Liter
- Snacks
- Lunch
- Sehr gute Wanderschuhe
- Sportliche Kleidung mit Fließjacke und/ oder Regenjacke
- Moskitospray
- Sonnencreme
- Kamera
Ablauf
7:00 Uhr
Wir haben uns morgens um 7 Uhr am Treffpunkt getroffen und so die ganze Gruppe gleich kennenlernen dürfen, mit der wir dann die nächsten 8 Stunden verbringen würden. Alle super nett gewesen und uns gleich zu Anfang gut verstanden. Wir waren 11 Leute in einer Gruppe. Alterstechnisch war alles dabei von 25-60 Jahre würde ich sagen.
Dabei war auch so ein ganz bestimmtes Pärchen, da wusstest du schon gleich, dass es wohl schwieriger mit denen wird, als die Frage aufkam, “Kann man da oben Mittagessen kaufen?” Nein kann man nicht, falls du jetzt in Zweifel kommst und dich fragst, oder etwa doch? Nein. Man kann auf dem Berg im Kanadischen Hinterland nicht auf einen Starbucks zu laufen und sich ‘ne Stulle bestellen. Nein. Das geht nicht. Meine Augen rollten.
Es haben uns zwei Tourguides begleitet. Der eine von beiden war auf jeden Fall mal bei der Armee, zumindest dachte ich mir das. Er sah aus als ob er bei Nacht im Dschungel ausgesetzte werden könnte und ohne Probleme wieder nach Hause finden würde. Ein MacGyver halt. Da hat man sich gleich sicherer gefühlt.
7:45 Uhr
Anyway, dann ging es mit unserem Auto gleich weiter zum Western Brook Pond Parkplatz. Von dort sind wir dann den kurzen Wanderweg gelaufen. Am Wanderweg selbst gibt es einen kleinen See und wenn der Wind besonders ruhig ist, dann spiegeln sich die Berge in ihm auf perfekte und surreale Art und Weise.
Nach kurzem bestaunen, ging es weiter bis zum Anlegeplatz, an dem das Boot schon auf uns gewartet hat. Die Bootstour hat ungefähr 45 Minuten gedauert.
8:45 Uhr
Keine Wolke am Himmel und Sonnenschein, dennoch, es war ein wenig kühl, aber auf Rat des MacGyvers, hab ich mir keinen Sweater drüber gezogen. Man soll eher leicht bekleidet starten, da der Körper sich eh beim wandern aufheizt und man so nicht so schnell ins schwitzten kommt.
Und so sind wir losgegangen. Durch hüfthohe Gräser und sattes Grün wo das Auge reicht. Stellenweise kam es mir vor als ob wir eigentlich in einem Dschungel sind.
Als wir einem strömenden Bach ankommen, legt sich MacGyver gleich flach auf den Bauch, wie ein Brett und schlürft das Wasser, zum Schluss dippt er seinen ganzen Kopf hinein. Soll gut tun und erfrischend sein sagt er. Dann sind wir weiter durch enge Felsengänge gekrabbelt und gewandert, gequatscht und haben uns alle ein wenig besser kennengelernt.
10:00 Uhr
Es hat sich schnell herausgestellt, dass wir uns aufteilen müssen. Da wir (zwei junge Paare, ein älteres Paar) einfach viel schneller waren als die andere Gruppe. Wir haben kurz auf die anderen gewartet (ein junges Paar und ein älteres Paar), kurz abgesprochen und dann getrennt.
Das ältere Paar, das bestimmte Paar, bei dem man schon um 7:00 Uhr wusste, dass diese Wanderung nichts für sie ist, hat dann die Frage gestellt: “Ich dachte es gibt eine Abkürzung für die, die nicht so schnell sind?”. Meine Augen rollten. Nein, die gibt es natürlich nicht.
Es gibt nur diesen einen Weg. Nochmal, diese Wanderung ist nichts für das weiche Gemüt. Sie führt durch die Wildnis. Die Wege, die es dort gibt haben keine Ausschilderungen. Manche der Pfade sind so neu (weniger als zwei Wochen), dass man aufpassen muss, das man nicht wegrutscht, da die Steine noch nicht festgetreten sind. Der Weg ist so anspruchsvoll, dass man schnell vergisst immer mal wieder hochzuschauen, da man aufpassen muss wo man hintritt.
11:oo Uhr
Wie lange noch? Der letzte Abschnitt der Wanderung führt an einer 35-40 Grad starken Steigung hoch. Man muss sich an Wurzeln hochziehen, festhalten und klettern und krabbeln. Über Flüsse springen und weiter und immer weiter gehen.
11:3o Uhr
Meine Schenkel zittern.
11:35 Uhr
Was macht man, wenn man durch die Hölle geht? Einfach immer weiter gehen. Ich glaub ich kann gleich nicht mehr.
12:00 Uhr
WOW.
12:05 Uhr
Nach der anfänglichen Mundlage-auf-Halb-Acht Reaktion, kann ich meinen Augen immer noch nicht trauen. Wir sind angekommen, endlich. Die Aussicht vor uns, einfach unbeschreiblich. Etwas, das man nicht in Worte fassen kann und auch kein Bild wirklich gerechtfertigt.
Zufrieden und unendlich Glücklich machen wir eine Pause, verschlingen unser Mittagessen, das wir selbst mitgebracht haben. Wir haben jetzt 1,5 Stunden Zeit alle Fotos der Welt zu machen. Hinter uns gibt es eine Campsite, für diejenigen, die eine mehrtätige Wanderung machen wollen und die vollen 32 km mitnehmen möchten.
Da hinter wiederum gibt es einen kleinen Wasserfall, der das Wasser in ein natürlich entstandenes Wasserbecken schiebt. MacGyver ermutigt uns eine Abkühlung zu holen und so ziehen sich manche bis auf die Unterwäsche aus und gehen schwimmen.
Das Gefühl von nackten Füßen im kalten natürlichen Gewässern ist ein Traum und wie balsam für die Füße. Das reicht mir für’s erste. Ich hab keine Lust nass zurück zu laufen.
Noch ein paar Fotos und wir müssen los. Den ganzen Weg zurück. Das hinunterklettern ist fast noch anstrengender als hochklettern. Mit zitternden Schenkel geht es halbwegs voran. Noch einen Blick zurückwerfen. Noch ein letztes Mal die Aussicht genießen, sich alles merken und den Moment versuchen abzuspeichern.
Und was denkst du? Würdest du den Wanderweg machen wollen?
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